Schloss der Katzen

Leotie redete weiter, stockte dann aber um zu überlegen was sie noch erzählen könnte. Die Pause dehnte sich aus, während die Blonde in ihrem Kopf alles durchging, was sie schon gesagt hatte. Hatte sie irgendwelche Details vergessen? Nein. Irgendwelche wichtigen Personen nicht beschrieben? Auch das hatte sie alles getan.

Collin seufzte leise und genoss die Stille. Während Leotie schwieg und anscheinend darüber nachdachte, was sie ihm noch so alles erzählen konnte, ging der Magier selbst seine Erlebnisse ein wenig im Kopf durch. Die Hexenverfolgungen im Mittelalter, die Vampirjagten, die Pest, die ganzen Kriege... all dies ging ihm im Moment durch den Kopf. Aber auch an seine früheren Beziehungen und ähnliches dachte er...

Leotie lachte leise und sah Collin an. Auch er schien nachzudenken. Aber worüber? Vermutlich auch über seine Vergangenheit oder so. Tini überlegte, ob sie Collin vielleicht fragen sollte, woran er grade genau dachte. Aber irgendwie kam ihr das auch ein wenig falsch vor. Egal.

Was denkst du grade?

Collin schreckte durch Leoties Frage aus seinen Gedanken hoch und drehte sich dabei zu dem Halbwesen um. Er hatte diese Frage schon erwartet.

Ach... über vieles... um ehrlich zu sein...

Meinte er Schulternzuckend und lehnte sich dann wieder zurück.

Aber im Moment... vor ein paar Jahren als die Pest in Italien ausbrauch. War eine ziemlich schlimme Zeit damals.

Fügte der Magier dann noch im neutralen Plauderton hinzu. Als würde er Leotie erzählen dass er sich gestern irgendeinen Fernsehfilm angesehen hatte.

Pest? Italien? Vor ein paar Jahren?! Achja. Collins ist ja schon steinalt. Stimmt. Da sind ein paar Jahre wahrscheinlich so an die 40 oder 50 oder so.

Nun übertreib aber mal nicht.

Ist doch so.

Mal wieder eine stumme Unterhaltung von ihr und Bestie.

Ach? Hast du das mit erlebt? Muss schlimm gewesen sein. Die ganzen Kranken und Toten und so. Nee. Wäre wahrscheinlich nichts für mich gewesen.

Collin bekam die gedankliche Unterhaltung zwischen Bestie und Leotie mit und musste leise lachen. Dann entschied der Magier sich dafür, Leotie ein bisschen anzuwiedern.

Da hege ich keinen Zweifel. Außerdem war ich einer der wenigen, noch, nicht Verseuchten... als Totenträger und -gräber zu arbeiten ist nicht gerade ein Spaß. Und damals gabs noch keine Schutzhandschuhe.

Meinte er dann leicht grinsend und nochi mmer im Plauderton zu dem Halbwesen.

Bäh. Ist ja eklig.

Tini verzog angewiedert das Gesicht, stellte Collin aber trotzdem weiter Fragen.

Du hast gesagt einer der noch nicht Verseuchten. Soll das heißen du hattest auch Pest? Und dann mit den ganzen Toten und so... Hat dich das nicht geekelt? Das muss doch alles total unhygienisch gewesen sein. Ist ja schrecklich.

Collin grinste noch mehr als er Leoties angewiederten Gesichtsausdruck sah und beantwortete dann ihre fragen:

Nein... zum Glück nicht. Ich bin ein übernatürliches Wesen und war so, Abel sei Dank, immun gegen die Pest. Viele meiner Freunde sind aber daran gestorben und auch meine damalige Geliebte. Natürlich hat mich das angeekelt aber irgendjemand musste ja die Arbeit machen. Und da sich die höheren Leute nicht selbst anstecken wollten durften natürlich die Bauern und einfachen Bürger, die noch übrig geblieben waren, die Drecksarbeit übernehmen. Unhygienisch war zu dieser Zeit alles. Genau deswegen ist ja erst die Pest ausgebrochen... ist ja auch kein Wunder, wenn überall die Ratten herumkriechen und sich fast das ganze Dorf mit einer Toilette begnügt.

Erklärte der Magier dem Halbwesen dann schmunzelnd und erinnerte sich dabei zurück.

Leotie verzog erneut das Gesicht. Die Vorstellung daran sich mit dem ganzen Dorf eine Toilette zu teilen war einfach wiederlich. Genauso wie der Rest, den Collin erzählte.

E.Kel.Haft.

Sagte die Blonde gedehnt. Sogar das Grinsen war jetzt aus ihrem Gesicht gewichen und hatte einer total angewiederten Miene Platz gemacht.

Hast du nicht auch Schönes zu erzählen?

Collin grinste immer mehr und schien sich sichtlich an Leoties angewiederter Miene zu erfreuen. bei ihrer Frage zuckte der Magier mit den Schultern und dachte eine Weile lang nach. Hatte er denn irgendetwas 'Schönes' aus seiner Vergangenheit zu erzählen? Nein... denn an dem was er damals so erlebt hatte war nicht wirklich irgendetwas schön gewesen.

Nein.

Meinte Collin deshalb einfach nur kurz und knapp.

Leotie zog jetzt die Augenbrauen hoch. Collins kindische Freude daran sie angewiedert zu haben ignorierte sie einfach.

Ach? Echt nicht? Du hast die ganze Zeit so beschissen gelebt? Gott du kannst einem leid tun. Aber wirklich. Immer nur in solchen Verhältnissen zu leben muss doch total behindert sein. Echt jetzt, das geht gar nicht.

Collin lachte leise. natürlich hatte Leotie recht. Aber es war einfach so... außerdem trugen die Flüche seiner Mutter wohl auch etwas dazu bei und nicht jeder Mensch oder jedes Wesen konnte ein perfektes Leben haben. Collin war aber eigentlich immer ganz zufrieden mit seinem gewesen. Egal wie schrecklich manche Tage auch gewesen waren.

Weisst du... man sagt Geschichte wiederholt sich. Und für mich wiederholt sie sich ständig auch wenn manches anders passiert. Zuerst wird ein ganzes Land durch einen Kreuzzug ausgerottet, dann kommt die Pest... später die beiden Weltkriege. Und ständig durfte ich einer von denen sein, die sich um die Toten kümmern mussten.

Meinte der Magier dann einfach mal, um das Gespräch auf einen anderen Punkt zu lenken.

Trotzdem beschissen.

Murmelte die Blonde und sah Collin an. Sie hatte gespürt, dass er das Thema wechseln wollte, wusste aber nicht auf welches er jetzt hinauswollte. Sie würde ihn jetzt einfach mal reden lassen. Wahrscheinlich. Sie hatte ja eigentlich schon genug geredet und wusste auch nicht, was sie jetzt noch erzählen sollte. Das hatte sie manchmal. Auf einmal wurde sie total schweigsam und sagte dann nichts mehr, aber im nächsten Moment war sie wieder so gesprächig wie vorher.

Collin nickte dann nur noch stumm, seufzte leise und sah auf seine Hände, welche zusammengefaltet in seinem Schoß lagen.

Ja... trotzdem beschissen... du hast recht...

Murmelte der Magier nur leise und musste erneut an ein paar für ihn etwas schlimmere Erlebnisse denken. Von den meisten hatte er sich auch eine oder gar mehrere Narben zugetragen, von denen er wohl jetzt mehr am Körper hatte als andere.

Auch Tini dachte grade an Collins Narben. Früher hatte sie ihn mal vorgehabt ihn nach jeder einzelnen Geschichte zu den Narben zu fragen, aber irgendwie schien es ihr damals nicht sonderlich nett. Jetzt hätte sie zwar kein Problem mehr damit, aber irgendwie hatte sie doch Hemmungen, was bei der Blonden schon ziemlich selten vorkam. Woher genau diese Hemmungen kamen wusste sie auch nicht.

Collin schwieg weiterhin, starrte noch immer auf seine Hände und schien nachzudenken. Der Magier dachte nämlich noch immer an seine Narben, die Geschichten die mit ihnen zusammenhingen und anderes. An ein Erlebnis erinnerte er sich gerade am meisten... an einen Bombenanschlag damals in Amerika. Er war der einzige der im Umkreis von 200 Metern überlebt hatte.

Langsam wurde Tini diese Stille unangenehm und sie sah sich um. Niemand war hier. Sie und Collin waren alleine. Und ein Gesprächsthema? Ebenfalls nicht in Sicht. Auf einmal kam Leotie eine Idee.

Wie geht es eigentlich deiner Blu- Freundin? Also Kiara?

Beinahe hätte sie Kiara wieder Bluthure genannt. Wahrscheinlich wusste Collin das auch, aber Tini tat einfach so, als wäre nichts passiert. Das half meistens.

Aus der Kehle des Magiers fuhr ein Lautes fauchen und Collin ballte seine Hände augenblicklich zu Fäusten. Er wusste ganz genau, was Leotie gerade sagen wollte und konnte es überhaupt nicht leiden, wenn seine Freundin so genannt wurde. Deshalb fauchte er nur bissig:

Ihr geht es gut... danke der Nachfrage.

Tini musste bei Collins Reaktion leise lachen. Sie fand es immer wieder lustig, wenn Leute so überreagierten und sie stichelte auch gerne noch weiter. Ob es dabei irgendwann zu spät sein könnte um zurückzurudern war ihr eigentlich meistens egal.

Ach komm muck nicht. Ich hab's doch nicht ausgesprochen. Nur angesetzt. Also stell dich nicht so an.

Collin fauchte erneut. Dieses Mal nur erneut etwas lauter und als sich seine Lippen hochzogen, wurden seine Fangzähne sichtbar. Der Magier war fast auf 180 und außerdem kurz davor Leotie irgendetwas anzutun.

Du hast es vielleicht ausgesprochen. Aber dass du es angesetzt hast, das reicht mir schon.

Fauchte er das Halbwesen bissig an.

Boah ey.

Leotie verdrehte die Augen. Das war so ein schönes Gespräch gewesen, bis Collin natürlich mal wieder überreagieren musste.

Reg dich wieder ab. Was ich denke kann dir doch genauso egal sein, wie es deiner ach so tollen Magierin egal ist. Und explodier nicht immer gleich so. Das tut deinem Blutdruck nicht gut.

Collin fauchte erneut laut auf und sprang dabei auf. Er drehte sich zu Leotie um und sah sie aus vor Wut rot glühenden Augen an.

Halt deine große, vorlaute Klappe!

Zischte der Magier das Halbwesen an und wartete dann einfach nur wütend zischend auf ihre Reaktion. Irgendwann würde sie schon aufhören. Oder sie würde ihn so lange reizen, bis er wirklich komplett den Verstand verlor.

Leotie blieb ruhig sitzen. Sie hatte keine Angst vor Collin, wieso auch? Schließlich lebte sie noch immer mit dem irrsinnigen Glauben, Collin würde sie niemals verletzen. Im Moment sah das aber nicht so aus und auch Bestie flüsterte Tini zu sie solle ihn in Ruhe lassen und einfach nichts mehr sagen. Doch so leicht war die Blonde nun auch nicht gestrickt. Wenn sie etwas tat, dann tat sie es richtig.

Wir leben in einem freien Land. Ich kann sagen was ich will, wann ich will und wo ich will. DU kannst mir gar nichts vorschreiben. Also spiel dich nicht so auf.

Collin war nun entgültig auf 180. Der Magier ließ es Leotie wissen indem er ein lautes, bedrohliches Fauchen ausstieß, das kleine Halbwesen am Kragen packte und sie mit einem heftigen Ruck von der Bank zog. Er sah ihr wütend in die Augen und fauchte erneut.

Ich habe dir gesagt, dass du deine große, verlaute Klappe halten sollst!

Auch Leotie - besser gesagt Bestie - fauchte nun leise, als Collin sie von der Bank riss, was das Mädchen aber sofort wieder unterband. Sie zeigte ihre tierische Seite im Gegensatz zu ihrer Mutter, die damit kein Problem hatte, nicht gerne in ihrer menschlichen Gestalt.

Und ich habe die gesagt, dass du mir nichts zu sagen hast, Magier.

Zischte die Blonde und vermied es bewusst Collin beim Namen zu nennen. Sie befreite sich mit einer ruchartigen Bewegung aus seinem Griff und wich von der Bank zurück, da sie sonst zwischen dieser und Collin eingesperrt gewesen wäre.